Eine wichtige Bitte vorweg: Was hier thematisiert wird, kann für manche Menschen ein hohes Triggerpotenzial enthalten und generell sehr aufwühlend bzw. verstörend sein. Sollte das auf Sie zutreffen, beschäftigen Sie sich bitte mit den Inhalten nicht oder nur in hilfreicher Begleitung. Dass Sie gut für sich sorgen, ist uns ein großes Anliegen.
Wir leben in Deutschland und weiten Teilen Europas in einer auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Pluralität und Menschenwürde gegründeten Gesellschaft, für die wir zu Recht dankbar sind. Und die es ohne Wenn und Aber gegen alle Bedrohungen zu erhalten und zu verteidigen gilt, nicht zuletzt als Lehre aus den unheilvollsten Teilen unserer eigenen Geschichte.
Und doch werden auch in unserer vermeintlich sicheren Mitte Kinder, Jugendliche und Erwachsene - so legen es schon die offiziellen Zahlen ohne Einbeziehung des Dunkelfelds nahe - immer wieder in sadistischer Weise erniedrigt, sexuell ausgebeutet, psychisch wie physisch gequält und mitunter sogar ermordet. Und das nicht erst seit gestern, auch nicht erst seit Erfindung des Internets.
Zum Teil beginnt die Gewalt in sehr frühem Alter unter Mitwirkung nächster Verwandter: Der familiäre Nahbereich ist entgegen allem, was er eigentlich sein sollte, für etliche Menschen der gefährlichste Ort überhaupt. Sie werden dort Opfer psychischer, physischer, sexualisierter und spiritueller Gewalt.
Manchmal werden sie aber auch "weitergereicht", an andere Täter*innen "verkauft" (via Internet oder auch direkt) - und für diese Zwecke, so unbegreiflich das auch klingt, von klein auf konditioniert. Je ideologisch abgeschotteter ein Kind aufwächst (z.B. in engen religiösen oder weltanschaulichen Gruppierungen bzw. Sekten), je geschickter die Täter*innen ihr gesellschaftliches Doppelleben und das des Kindes zu tarnen imstande sind, umso weniger Chancen hat es auf Hilfe. Manches, was Aussteiger*innen aus diesen Gewaltstrukturen berichten, ähnelt in erschütternder Weise dem bewährten Grundprinzip totalitärer Unrechtsstaaten und mafiöser Organisationen: Völlige Entmenschlichung und Isolation der einzelnen Person, Erziehung zum "Kadavergehorsam" gegenüber einer höheren Macht (verkörpert durch den jeweiligen Meister/Boss/Diktator/Guru), verbunden mit lebenslangen Schweigegeboten und der Verfälschung von Tatsachen.
„Tyrannische Gesellschaften werden regiert mit den Regeln von Über- und Unterordnung. Diese Regeln sind recht einfach: Die Starken tun, was sie wollen, weil sie es können. Die Schwachen und Verletzlichen ordnen sich unter. Außenstehende bleiben aus Angst still, schauen bewusst weg oder unterstützen freiwillig die Mächtigen. Diejenigen, die Widerstand leisten, riskieren extreme Bestrafung: Schläge, Haft, Folter oder Hinrichtung.
Diese Grundregeln funktionieren in etablierten Diktaturen, in absoluten Monarchien sowie in Gegenden, die von kriminellen Banden oder paramilitärischen Gruppen beherrscht werden. Sie funktionieren ebenso im Umfeld von Sklaverei, Menschenhandel und Prostitution, innerhalb einiger religiöser Kulte, und nur allzu oft innerhalb von Familien.“
Judith Lewis Herman, MD, „Truth and Repair: How Trauma Survivors Envision Justice”, Basic Books, New York 2023, S. 26 (Übersetzung von uns)
Und so kann gerade sexualisierte Ausbeutung und Folter immer wieder geschehen, ohne dass den Betroffenen jemand glaubt und entscheidend zur Hilfe kommt. Für Außenstehende ist das Ausmaß der Gewalt selten erkennbar, und wenn etwas auffällt, ist es oft nicht leicht, gute Schritte dagegen zu unternehmen.
Die Täter*innen stammen dabei, auch das zeigen Kriminalstatistiken ebenso wie Betroffenenberichte, aus allen Kreisen bzw. Schichten der Gesellschaft. Nicht selten gibt es hierbei sogar familiäre Traditionen, d.h. Traumata werden an die nächsten Generation weitergegeben. Täter*innen bedienen sich massiver Manipulation (u.a. durch Bindungstraumatisierung - Näheres dazu
hier), extremer psychischer und physischer Gewalt und setzen alles daran, dass ihre Taten unsichtbar und ungestraft bleiben.
"Die Kinder werden eigentlich von früh auf konditioniert, sexualisiert - die wachsen so auf."
"In diesem Fall würden wir sagen: Das Mädchen weiß, was auf sie zukommt. Das ist nicht das erste Mal."
"Berührend fand ich, als wir dann mit einer Mutter zusammen ein geschädigtes Kind vernommen haben, wo wir auf Video hatten, dass der Vater es brutalst missbraucht und vergewaltigt hatte, und das Kind dann dem vernehmenden Beamten gesagt hat: Wo ist der Papa, wo ist der Papa, ich will zum Papa!"
"Die versuchen auch, die Kinder sehr früh an diese sexuellen Handlungen zu gewöhnen, sie für sich selbst zu sexualisieren."
"Die nennen es immer ‚erziehen‘... die steigen dann tatsächlich mit dem Tag der Geburt und auch schon vorher damit ein, wie man diese Kinder ‚erziehen‘ kann, dass sie diese sexuellen Handlungen über sich ergehen lassen."
Zitate ermittelnder Beamt*innen im Missbrauchskomplex Bergisch-Gladbach aus der WDR-Doku "So jagt die Polizei pädophile Täter" (2022)
Die Emanuelstiftung engagiert sich für diese körperlich, aber vor allem auch seelisch zutiefst verletzten Menschen, die es irgendwie geschafft haben, all das Grauen zu überleben - und aus dem destruktiven System auszubrechen. Sie sind dringend auf mitmenschliche, juristische, psychosoziale und therapeutische Unterstützung angewiesen, und sofern sie den gewaltvollen Strukturen noch nicht entkommen sind, auf Schutz und tatkräftige Hilfe, welche ihnen einen Neuanfang in Sicherheit ermöglicht.
Der Name unserer Stiftung soll dabei an einen ganz besonderen Jungen erinnern: Emanuel. Er war ein echtes, lebendiges Kind, dem die Chance zu leben genommen wurde. Sein Name steht stellvertretend für viele andere, denen unfassbare Dinge angetan wurden, die nie hätten passieren dürfen.
Fast alle Überlebenden solcher Verbrechen leiden auch langfristig massiv unter der erlittenen Gewalt, die oft einen Großteil ihres Lebens bestimmt hat. Schlafstörungen und Albträume, heftige Flashbacks, Dissoziation, Panikattacken, unerträgliche Schmerzen, überwältigende Trauer, enorme (gerade auch aufgezwungene) Schuldgefühle, Selbsthass, Hoffnungslosigkeit und ein Leben am Rande des Suizids sind nur einige der Folgen, mit denen diese Menschen auch viele Jahre später noch zu kämpfen haben.